Kinder und ihre Borderline-Mütter

Beziehungsgeflechte

Heutzutage leben Frauen mit Borderline wie andere auch in verschiedenen Beziehungsgeflechten aus Herkunftsfamilie, Wahlfamilie (engste FreundInnen), eigener Familie, ehemaligen Beziehungen, der Ausbildungs- und Berufswelt usw.
Sie sind Töchter, Mädchen, Frauen, (Ex-)Partnerinnen, kinderlos, Mütter, Mitschülerinnen, Kolleginnen, Nachbarinnen, Mitbewohnerinnen...

Borderline ist eine Persönlichkeitsstörung und tritt als eine Traumafolgeerkrankung auf. Menschen mit Borderline sind unterschiedlich, manche sind eher introvertiert, manche eher extrovertiert. Sie vereint unter Umständen nur einige der in der DSM-IV gelisteten Verhaltensmerkmale. Lediglich die Spitze dieser Verhaltensmerkmale ist für das Umfeld sichtbar (auto- oder fremdaggressives Verhalten bzw. Suizidalität, Schwarz-Weiß-Denken, Wutausbrüche, Süchte, nicht allein sein können, Idealisierungen/Abwertungen). Äußerlich nicht sichtbar sind die extremen Gefühle, die sich in der Psyche der Borderlinerin abspielen (wie Ängste, Wut, Schuldgefühle, Depression, Verzweiflung, Spannungszustände, innere Leere, Unsicherheit, häufige extreme Stimmungswechsel, Identitätslosigkeit/ Ich-Schwäche/das instabile Selbstbild). Dies wird in dieser Grafik deutlich. 

Manche Menschen mit Borderline werden in ihrem weiteren Umfeld als "schillernde" und sehr präsente Persönlichkeiten wahrgenommen, als "anders" als der "Mainstream", hochsensibel, "interessant"...

Das nahe (unter Umständen auch liebende) Umfeld erlebt die Menschen mit Borderline allerdings mit gemischten Gefühlen besonders dann, wenn diese
- undiagnostiziert sind;  
- untherapiert sind;
- die Diagnose für sich selbst nicht akzeptieren ("Alle anderen haben Borderline! Alle anderen sind psychisch krank, nur ich nicht!");
- ihre Stimmungsschwankungen, ihre Wut, ihre Drohungen, ihre Abwertungen und ihren "Psychoterror" unter jeglichen Grenzüberschreitungen völlig ausagieren;
- es ablehnen, Verantwortung für ihr Verhalten zu übernehmen;
- die Grenzen anderer Menschen nicht akzeptieren;
- die Idealisierungsphase beendet ist und die Mitmenschen abgewertet werden. 

Dann wird der Umgang mit ihnen wie ein gefährlicher Sog oder Strudel empfunden und ein starkes Überforderungsgefühl kann auftreten sowie eine gewisse Hilflosigkeit: 
"Mit ihr (ihm) gehen wir beide zusammen unter; ohne mich geht sie (er) alleine unter". 
Von diesen Erfahrungen sind in erster Linie enge Bezugspersonen von Menschen mit Borderline betroffen, wie die Eltern, PartnerInnen oder die jugendlichen bzw. erwachsenen Kinder.


Ein großes gesellschaftliches Tabuthema ist, neben der psychischen Gewalt durch Menschen mit Borderline, die physische Gewalt (körperliche Gewalt) gegenüber engsten Bezugspersonen (PartnerInnen, Eltern, Geschwister, eigene Kinder).
Aus Angst vor weiterer Gewalt, Verleumdungen, Stalking, Falschbeschuldigungen, Sachbeschädigung und Drohungen, aber auch aus Mitgefühl, da sie um das innere Leid der von Borderline betroffenen Menschen wissen und aus Gründen der Verwandtschaft, erstatten die Betroffenen zumeist keine Anzeige und schrecken vor notwendigen Konsequenzen zurück.
Andere Angehörige widerum können aufgrund ihrer eigenen Co-Abhängigkeit keine Grenzen (mehr) setzen. 
Männliche Opfer von körperlicher Gewalt durch ihre (Ex-)Partnerinnen mit Borderline erstatten zudem aus Scham keine Anzeige. Sie befürchten, als männliche Opfer seitens der Polizei, der Justiz oder des sozialen Umfeldes nicht ernst genommen und gehört zu werden.


Die Medienberichtgestaltung (zum Beispiel über Gerichtsprozesse und Täter/innen) über Gewalt durch Menschen mit Persönlichkeitsstörungen bzw. psychischen Erkrankungen ist verhalten. Ein Aspekt dürfte sein, den Stigmatisierungen psychischer Erkrankungen vorbeugen zu wollen. 
Nur selten gelingen Medienberichte, die der Komplexität des Themas Borderline gerecht werden und die den Kreislauf von Traumatisierungen UND auch die Tragik, das Überlebende von Gewalt ggbf. zu GewalttäterInnen werden (können), darstellen.       



© Jana Reich, www.borderline-muetter.de, 2013-03-17 

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