Die Reaktion der Gesellschaft hat einen großen Einfluß auf die endgültige Bewältigung des Traumas. Der Riß zwischen der/dem Traumatisierten und der Gesellschaft kann nur gekittet werden, wenn erstens die Gesellschaft das traumatische Ereignis als solches anerkennt, und zweitens die Gesellschaft in irgendeiner Form handelt. (...) Anerkennung und Wiedergutmachung sind notwendig, damit das Opfer wieder an Gesetz und Ordnung glauben kann. Herman, Judith Lewis: "Die Narben der Gewalt. Traumatische Erfahrungen verstehen und überwinden", Kindler, München 1993, S. 102. |
Die jetzige Gesellschaft zeichnet sich nicht aus durch:
- Kinderfreundlichkeit,
- eine leichte Vereinbarkeit von Familie und Beruf
oder
- gesellschaftliche Akzeptanz für psychische Krankheiten, die durch psychische, physische und/oder sexualisierte Gewalt entstanden sind.
Mainstream-Medien, Gesetzgebung und weitere Rahmenbedingungen suggerieren, dass es sich bei den Problemen von Opfern um "private", "persönliche" bzw. "schicksalhafte" Einzelfälle handelt.
Psychische, physische und/oder sexualisierte Gewalt werden nicht genug als gesamtgesellschaftliche Probleme thematisiert.
Gesamtgesellschaftlich gesehen müsste mehr in Prävention, gesellschaftliche Sensibilisierung (auch bereits in den Schulen) und vor allem in den Abbau täter/innen/freundlicher Strukturen investiert werden und der Täter/innen-Lobby durch frühzeitige Aufklärung und Prävention Einhalt geboten werden.
Niedrigschwellige Angebote, frühzeitigere Hilfen, eine parteiliche Opferperspektive und eine gesellschaftliche Anerkennung des Unrechts würden bei den Opfern die psychischen und körperlichen Langzeitfolgen wesentlich mindern.
Zudem müssten mehr Beratungs- und Präventionsangebote, vor allem im ländlichen Raum, eingerichtet werden.
Die Studie des Universitätsklinikums Ulm ergab, dass 2009 von 53,9 Millionen Deutschen zwischen 15 und 64 Jahren 14,5 Prozent von schweren bis extremen Misshandlungen, Missbrauch und/oder Gewalt betroffen waren. Leider liegen keine geschlechtsspezifischen Daten hierzu vor. Ein Fünftel dieser Menschen, also 1,6 Millionen Betroffene, tragen Langzeitfolgen davon. Die Langzeitfolgen kosten der Gesellschaft jährlich 11 Milliarden Euro (Therapiekosten, Kriminalitätsfolgekosten, Arbeitslosenunterstützung etc). Allein im Gesundheitswesen fallen vorsichtigen Schätzungen zufolge jährlich Kosten zwischen 500 Millionen und drei Milliarden Euro an. (Vgl. Pressemitteilung vom 21.09.2011)
© 2012-09-06, 19:26:17, www.borderline-muetter.de, Jana Reich
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