Obwohl dies kein Buch ist und es für eine Homepage eher ungewöhnlich ist, soll es eine Einleitung geben.
Die Situation von minderjährigen und erwachsenen Kindern von Eltern(teilen) mit Borderline kann sicherlich nicht verallgemeinert werden, aber diese Informationsplattform ist den Menschen gewidmet, die unter der psychischen und/oder physischen Gewalt ihrer Elternteile, die die Persönlichkeitsstörung Borderline haben, leiden bzw. gelitten haben.
Die Situationen und Familienverhältnisse kann man allerdings nicht beschreiben, ohne "Borderline" auch zu benennen und diese Krankheit verständlich zu machen. Die Persönlichkeitsstörung Borderline zeichnet sich durch typische Verhaltensweisen aus, die sich von anderen psychischen Erkrankungen wie Neurosen, Psychosen oder Schizophrenie wesentlich unterscheiden. Demzufolge sind die Eltern-Kind-Verhältnisse und Familiendynamiken je nach psychischer Erkrankung der Eltern(teile) ganz andere.
Borderline-Betroffene sind - etwas verkürzt formuliert - mehrheitlich Überlebende von Traumatisierungserfahrungen (sexuelle Gewalt, Vernachlässigung etc.; siehe auch: Was ist Borderline?) und mehrheitlich weiblich.
Für Menschen mit Borderline ist ein normales Leben mit normalen Gefühlen nicht möglich. Sie erleben im Bereich der Gefühle wahre Extreme, was ihr Leben und ihren Alltag ungemein erschwert und drastische Folgen für ihr ganzes Leben haben kann. Einigermaßen zurecht zu kommen mit den eigenen Gefühlsschwankungen und -handicaps ist oft nur durch harte Arbeit an sich selbst und mit Hilfe von langjährigen Therapien möglich. Die Diagnosestellung erfolgt aber zuweilen recht spät, wenn die Hilfesuchenden schon eine Odyssee durch medizinische Einrichtungen hinter sich haben.
Bei älteren Jahrgängen (besonders die Kriegskindergeneration, geboren bis ca. 1945) ist es oft unwahrscheinlich, das die Persönlichkeitsstörung überhaupt bei ihnen diagnostiziert wurde.
Die Diagnose dieser Persönlichkeitsstörung mag zu Anfang für Betroffene und Angehörige abschreckend sein, aber sie ist auch immer eine Chance, aktiv daran arbeiten zu können, die Lebensbedingungen für die Betroffenen und Angehörigen zu verbessern.
Die besondere Tragik bei Borderline besteht für mich darin, das durch die Symptome der Persönlichkeitsstörung die Betroffenen (unbewusst) ihre Traumata an die nächste Generation weitergeben. Besonders für die Überlebenden von sexueller Gewalt, die unter der Traumafolgeerkrankung Borderline leiden, finde ich es sehr schmerzhaft, wenn sie um ihr Überleben und eine Normalität stark kämpfen müssen und dennoch durch ihre Traumatisierung durch die Ursprungstäter/innen zu Täterinnen und Tätern gegenüber ihren nächsten Angehörigen - wie zum Beispiel ihren Kindern - (gemacht) wurden / werden.
In ihrem Innersten, und das ist eine meiner Hypothesen (ich werde diese stets als solche in diesem Portal kennzeichnen), fühlen sie dies eventuell, und dennoch scheint es für sie unmöglich, dieses komplizierte und zerstörerische Gefühlsgeflecht aufzulösen.
Wenn unsere Eltern dies aufgrund ihrer eigenen Erkrankung oder einer bestehenden Co-Abhängigkeit nicht konnten und können, so kann es zur Aufgabe von uns erwachsenen Kindern werden, auf diese transgenerationale Weitergabe von Traumatisierungserfahrungen aufmerksam zu machen. Ein Weg ist dieses Portal und ein anderer Weg kann sein, unsere eigenen Biografien und die unserer Eltern(teile) zu erzählen. Daraus abgeleitet werden können dann möglicherweise Ideen entstehen, die den Kindern, Müttern und Vätern das Leben zukünftig erleichtern.
Jana Reich, im April 2013
© Jana Reich, www.borderline-muetter.de, 2013-04-03
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